Wie eine Reise einfach aus meiner Erinnerung verschwinden konnte

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Immer wieder lese ich, dass Erlebnisse wichtiger seien als Fotos. Dass man auf Reisen die Kamera besser zuhause lässt. Sich unter die Einheimischen mischt. Und einfach nur genießt.

Ich habe es einmal getan. Ich bin ohne meinen geliebten Fotoapparat verreist. Nicht weil ich auf andere hören wollte. Nicht weil ich eins sein wollte mit der Umgebung. Nicht weil ich das Land in dem ich mich befand „authentisch“ erleben wollte. Sondern schlicht und einfach, weil meine Kamera am ersten Reisetag kaputt ging. Und ich kann euch sagen: Ich habe diese Reise nicht genossen.

Ich sehe die Welt nun einmal in Bildern. Und wenn ich meine Kamera in dem Moment, wo das nächste Motiv vor mir auftaucht, nicht griffbereit habe, weise ich gewisse Ähnlichkeiten mit einem OCD-Patienten auf.

Doch nach einer durchweinten Nacht und zwei Tagen depressiven Auf-den-Boden-Starrens und Nicht-sehen-Wollens, musste ich mir schließlich eingestehen: Das Leben geht weiter. Und die Reise auch. Nur halt ohne Fotos.

Natürlich nicht ganz ohne Fotos. Laurens´ Handy hatte sich gnädigerweise dazu bereit erklärt, seine Funktionsfähigkeit nicht von der Gischt der Niagara-Fälle beeinträchtigen zu lassen. Doch es ist eben einfach nicht dasselbe. Fotos betrachten, die man selbst geschossen hat, oder durch die Erinnerungen eines anderen zappen.

Klar, wir verreisen immer gemeinsam. Und auch Kanadas Osten haben wir im Jahr 2011 natürlich zusammen besucht. Und doch erlebt jeder die Reise anders. Und ich erlebte meine bis zu diesem Zeitpunkt nun einmal durch den Sucher meiner Canon EOS 20D. Und jetzt war dieser weg.

Und ohne Sucher, keine Lupe, mit der ich die Realität heranzoomen konnte. Kein Filter, mit dem ich störendes Rauschen einfach beseitigen konnte. Kein Rahmen, der mir half, das Erlebte abzustecken. Keine Erinnerungsfotos. Keine Reise.

Ich meine damit nicht, dass ich nach jeder Reise zuhause rumhocke und mir tagtäglich alte Bilder reinziehe. Eher so, dass jedes geschossene Foto auch immer eine Art Negativ in meinem Gedächtnis hinterlässt. Meine Reiseerinnerungen bestehen sozusagen auch in meinem Kopf aus den Bildern, die ich mit der Kamera festgehalten habe.

Ich kann mich erinnern, warum ich sie gemacht habe. Wie ich mit dem Licht zu kämpfen hatte. Warum ich genau diesen Ausschnitt wählte. Und ob das Foto einfach so aus der Hüfte heraus entstand oder ob ich mich dafür wieder mal in Lebensgefahr begeben musste. Ob ich beim Drücken des Auslösers Zufriedenheit verspürte. Oder Angst, der Boden unter meinen Füßen könne jeden Augenblick wegbrechen.

Ich erinnere mich, was Laurens in der Zwischenzeit machte. Ob er mich schimpfte, ich solle doch gefälligst wieder runterkommen. Oder ob er in Stille bangte. Ob er auf mich wartete. Oder schon alleine weiterzog. Ob er sich weigerte, seine Geschichte zu Ende zu erzählen, bis ich das Foto gemacht hatte. Und wie ich ihm versicherte, brav zuzuhören, später aber natürlich nichts von alledem wiederholen konnte.

Ich erinnere mich, wie wir froren, nur um den Sonnenuntergang festzuhalten. Wie mein Haar danach steif vom Salzwasser war. Und wie wir uns über meine neue Frisur amüsierten. All das wurde gespeichert. Mit dem einen Klick. Oder den vielen hundert, die ich für das eine perfekte Foto brauchte. Dieses hat sich schließlich in meinem Gedächtnis eingebrannt. Und mit ihm alle andern.

Und nun nimmt man mir die Kamera weg. Einfach so. Und das Resultat soll ein sorgenfreier Urlaub sein? Eine Annäherung an die eigene Ursprünglichkeit? Die beste Erfahrung meines Lebens?

Das einzige Resultat, das ich feststellen konnte, war ein leeres Fotoalbum. Und eine Reise, an die ich mich bis heute nicht wirklich erinnern kann.

PS Wer eine Reise nach Kanada plant, sollte sich unseren Artikel zum Thema „Beste Kanada Reisezeit“ anschauen.