Wer hat Angst vorm Sandmann? – Ein Abend im Horrorhotel

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In der heutigen Zeit halten Holiday Inn und Best Western das Zepter fest in der Hand. Die Urlaubswelt besteht fast ausnahmslos aus 4-Sterne-Unterkünften. Gebügelte Bettwäsche und gläserne Badezimmer gehören längst zur Standardausstattung. Und eine einzelne Ameise kann den Ruf einer ganzen Hotelkette ruinieren.

Doch keine Angst! Es gibt sie noch: die Horrorabsteigen. Man muss eben nur etwas länger suchen. Wir wurden fündig in Graaff-Reinet.

Als wir 2009 Südafrika bereisten, waren wir noch jung und naiv. In unserer Vorstellung, waren alle Hotels gleich gut. Hauptsache, wir hatten ein Bett zum Schlafen. Mit dieser Einstellung klopften wir an die Tür des Hotel de Graaff. Und zu unserem Elend wurde diese auch geöffnet.

Unser Sehvermögen brauchte eine Weile, um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen. Auf funktionierende Lichtquellen schien man hier wenig Wert zu legen. Doch so etwas schreckte uns nicht ab. Und auch die starren Augen der ausgestopften Tierüberreste, die unser tiefstes Inneres von allen Seiten zu durchdringen schienen, ließen uns erst einmal kalt.

Die Glanzzeiten dieses Hauses gehörten definitiv der Vergangenheit an. Doch verkommene Schönheiten hatten schon lange ihren Platz in unseren Herzen gefunden. Und außerdem: Wir waren ja nicht allein! Aus der angrenzenden, ebenfalls in Dunkelheit gehüllten Bar, drangen freudige Gluckslaute an unser Ohr. „Eine Familie mit Kind. Na so schlimm kann es also nicht sein!“ Wir hatten bereits Verdacht geschöpft. Dass wir uns allerdings in einen Familienbetrieb verirrt hatten, davon ahnten wir nichts.

Nachdem das Auto sicher im Innenhof abgestellt und uns somit jede Fluchtmöglichkeit abgeschnitten war, begann der lange Weg in unser neues Zuhause.

Obwohl wir offensichtlich die einzigen Gäste waren, hatte man das am weitesten vom Ein-, bzw. Ausgang entfernte Zimmer für uns hergerichtet. Über eine finstere Treppe gelangten wir ins Obergeschoss. Fehlte nur noch, dass die dunkelhäutige Dienerin, die uns demütig den Weg zeigte, mit Fackel voranschritt. Doch lassen wir die kindlichen Vorstellungen: Wir befanden uns schließlich im Zeitalter des elektrischen Lichts. Oder so sollte man meinen.

Der enge Flur quetschte sich an Waschräumen und Gemeinschaftstoiletten vorbei. Die Türen standen weit offen oder hatten sich schon vor Jahren verabschiedet, und gewährten uns freie Sicht in die regelmäßig von flackerndem Licht unterbrochene Dunkelheit. Auch die ringsum herrschende Totenstille musste augenblicklich an Vollkommenheit einbüßen. Tropfen für Tropfen fraß sich tief in unsere längst mehr denn angespannten Seelen.

Geradezu erleichtert waren wir, als wir unser Zimmer erreicht hatten. Wie Relikte aus einer vergangenen Zeit, schlummerten die Möbel vor sich hin. Jahrzehntelang unberührt, unwillig, gerade heute aus ihrem Dornröschenschlaf geweckt zu werden.

Zu müde, um uns gegen die Ewigkeit aufzulehnen, machten wir uns erst einmal auf die Suche nach unserem Abendessen. Und mussten uns eingestehen: Scheiße, ist Graaff-Reinet ein schöner Ort! Ja, wir hatten definitiv die Arschkarte gezogen. Und dass wir uns auch noch beim Dorftrunkenbold einquartiert hatten, wie man uns nun schonend beizubringen versuchte, machte das Ganze nicht wirklich besser.

Doch mit Willenskraft und Zusammenarbeit, gelingt auch die Flucht aus dem schauerlichsten Horrorhotel. Und eine Lektion für´s Leben, gab es sogar gleich mit dazu: Motels sind definitiv die besseren Hotels! Denn nirgends ist der Fluchtweg kürzer.

Du planst gerade eine Reise in die Rainbow Nation? Dann verpasse nicht unseren Beitrag zur besten Reisezeit für Südafrika!