Schlaflos in La Cumbre – Angriff der Riesenspinnen

„Mach das Licht an!“ Laute Atemgeräusche. „Na los!“ Deckenrascheln, gefolgt von hastigen Schritten. „Bitte!“

Wenn ich etwas so gar nicht ab kann, dann sind das Spinnen. Diese kleinen haarigen Tierchen, die einem überall auflauern und die man nicht mehr loswird, haben sie einen erst einmal so richtig lieb gewonnen. Sie sind schnell, schwindelfrei, und einfach nur unglaublich widerlich. Sollte es tatsächlich so etwas wie Phobien geben, darf ich meine Spinnenangst wohl spätestens ab heute feierlich und hochoffiziell dazuzählen.

So lange sie brav in der Ecke sitzen und ich sie mit meinen Laseraugen an die Wand heften kann, ist alles okay. Der Puls ruht bei durchschnittlich 160 Schlägen pro Sekunde und ich bin sorgenlos. Nahezu desinteressiert. Ja, man könnte gar sagen tiefenentspannt. Verspürt aber eins der Tierchen plötzlich den inneren Drang, auf Wanderschaft zu gehen, ist es mit der Idylle vorbei. Auf lautes Geschrei folgt Schnappatmung. Weinkrämpfe. Und wenn gar nichts mehr geht, hilft nur noch eins: Totstellen! So muss es zumindest auf andere wirken, wenn ich vor Angst bewegungslos in der Mitte eines Raumes stehenbleibe und das millimetergroße Riesenviech aus panikerfüllten Augen anstarre. Ich glaube, ihr könnt euch so ungefähr ausmalen, was ich meine.

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Und nun stellt euch vor, ich hätte die grandiose Idee, irgendwo, mitten in der Pampa (wortwörtlich!), eine Nacht auf einer Estancia zu verbringen! Und damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich speche hier nicht von den 5-Sterne-Luxusunterkünften, die in Argentinien in den letzten Jahren nur so aus dem Boden sprießen. Neiiiiiiiin, ich spreche von einem kleinen Häuschen inmitten der Natur. Ohne WLAN. Ohne dauerhafte Stromzufuhr. Und ohne Warmwasser. So richtig idyllisch eben. Zwischen Kuhherden und anderen Wiesenbewohnern. Und deren Bekanntschaft sollte ich schneller machen als mir lieb war.

nachtlager-estancia-puesto-viejoSchon als wir unser Nachtlager bezogen, war sofort klar: Hier wurde wohl schon länger nicht mehr durchgefegt. Doch als Mann der Tat, ließ Laurens sich nicht zweimal bitten und richtete unverzüglich ein nettes kleines Blutbad an. Decken wurden ausgepeitscht, Schuhe machten Flugübungen und sogar der Hund des Hauses wurde mit eingespannt. Und das Ergebnis konnte sich sehen lassen: bräunliche Flecken an Decke und Wänden, ein satter Hausherr, und eine beruhigte Reisegefährtin. Zumindest vorerst.

Denn ich wusste genau: Das waren bestimmt nicht alle gewesen. Irgendwo hielten sich noch welche versteckt. In den dunkelsten Ecken und tiefsten Schlitzen formierten sie sich neu. Ungestört heckten sie ihre Pläne aus. Um zuzuschlagen, wenn wir es am wenigsten vermuteten. Ich war mir da absolut sicher. Dementsprechend aufgewühlt legte ich mich schlafen. Auf der untersten Liege eines uralten, völlig verstaubten Hochbettes. In totaler Finsternis.

Und dann sah ich sie. Das Biest war doch wirklich so unverschämt, sich direkt über meinem Kopf zu platzieren und sich im Zeitlupentempo darauf niederzusenken. Millimeter um Millimeter kam sie näher. So langsam wie nur irgendwie möglich. Um die Qualen ins unermessliche zu treiben. Sozusagen als Racheakt für die verstorbenen Familienangehörigen.

Und das ist dann wohl die Stelle, an der wir eingesetzt haben…

Wie es ausging? Mit einer fünfminütigen Suchaktion, der Erkenntnis, dass ich ohne Brille, geschweigedenn in völliger Dunkelheit doch eigentlich gar nichts hatte sehen können, einer schlaflosen Restnacht, und der Einsicht, dass das Leben auf einer Estancia wohl definitiv nicht zu meinen Berufungen gehört.