Demolition Derby – ein echt amerikanischer Zeitvertreib

„You guys aren’t from here, right?“, fragt ein bärtiges Gesicht im Schatten einer John Deer Trucker Cap. Wir drehen die Köpfe und blicken auf staubige Farm Boots. Wie er das nur bemerkt hat? „So you were in the neighbourhood? Visiting the national park? And then you saw there was a county fair in town? And you just decided to come visit?“ Wir nicken nur stumm, während wir mittlerweile die Aufmerksamkeit mehrerer Bankreihen auf uns gezogen haben. Dabei hatten wir uns doch extra mit unseren neuen Bud Light Cappies in Schale geworfen. Und plötzlich dämmert es uns: Von den Absperrungen des Rodeo-Rings leuchtet uns das blutrote Coors-Zeichen entgegen. Anfängerfehler.

Diesmal hatten wir uns aber nicht für schnaubende Mustangs, wütende Bullen und furchtlose Männer in Cowboy-Hüten unter die Einheimischen gewagt. Diesmal wollten wir Teil eines noch viel tiefer in der amerikanischen Kultur verwurzelten Spektakels werden. Zum ersten Mal in unserem Leben würden wir live dabei sein, wenn die Menge jubelt, während rauchende Karossen zu Schrott gefahren werden. Denn wir waren zufällig am selben Tag in Town wie das alljährliche Demolition Derby.

Doch irgendwie war alles viel unspektakulärer als erwartet. Die Show drum rum, die offizielle Vorstellung der Fahrer, die Bewertung der ausgefallensten Kostüme, das Hunde reitende Totenkopfäffchen, die Vorführungen anderer Radkünstler, während die lädierten Hauptdarsteller von der Bühne gezerrt wurden – allem wurde mehr Zeit gewidmet als dem eigentlichen Akt der Zerstörung. Eine neue Runde, 6 Autos brausen aufeinander zu und schon sind 2 raus. Nach nur wenigen Minuten ist nur noch eines fahrtüchtig. Der Gewinner steht fest. Kein Feuer. Keine Verletzten. Mehr Schall als… okay, ein bisschen Rauch bekamen wir dann doch zu sehen.

Das eigentliche Highlight aber brachte eine der vielen Pausen. „All ladies to the ring, please!“, ertönt die Stimme aus den Lautsprechern. Ich zögere. Soll ich über meinen Schatten springen? Soll ich mich unters weibliche Volk mischen? Soll ich eine Geschichte mit nach Hause nehmen, die ich noch meinen Kindeskindern erzählen werde? Ich zögere. Und treffe die beste Entscheidung meines Lebens: Ich bleibe sitzen. Alles andere von Boots bis Highheels rennt, springt und klettert in den Ring und wartet in knietiefem Matsch auf weitere Anweisungen.

Am anderen Ende des Rings öffnet sich ein Tor. Startschuss! 20 verwirrte Kälber traben in die Manege und werden sogleich von wild schreienden Weibern in Empfang genommen. Es beginnt ein Rennen um Leben und Tod. Und um ein paar am Hinterteil der verblüfften Tiere befestigte Bänder. Man stolpert, landet im Dreck, rafft sich wieder auf, rennt weiter. Die Zuschauer lachen. Männer prosten sich zu. Und dann steht sie fest, die glückliche Gewinnerin. Stolz streckt sie ihre Schärpen gen Himmel und empfängt den Preis für ihre Mühen: 100 USD bar auf die Hand.

Das war ein guter Tag. In Holbrook, Arizona.