Argentinien per Mietwagen? Yes, we can!

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Eine typische Road-Trip-Landschaft. Wenn man diese Aussicht genießt, weiß man wieder, warum man sich für den teuren Mietwagen entschieden hat.

Eigentlich hätten wir schon beim Lesen der Reiseführer merken sollen, dass es nicht wirklich vorgesehen ist, Argentinien per Auto zu bereisen. Bei jedem ach so kleinen Dorf weiß Lonely Planet die Reisezeiten und Ticketpreise sämtlicher Busunternehmen. Doch wie man die Hauptattraktionen des Riesenstaates mit dem Mietwagen erreicht… niemand hat auch nur die geringste Ahnung. Spätestens am Flughafen hätte es uns endgültig wie Schuppen von den Augen fallen müssen: Argentinien ist kein Land für RoadTrip-Fans. Von den üblichen Werbetafeln der großen Mietwagen-Firmen, geschweige denn eigenen Büros war weit und breit keine Spur. Und so verwundert es auch nicht, dass es geschlagene 2 Stunden und zahlreiche Telefonanrufe brauchte, bis sich die Wagenschlüssel endlich in unserem Besitz befanden. Ein Renault Logan sollte es sein. Ursprünglich geplant als billigster vierrädriger Untersatz der Welt. Das perfekte Gefährt also, um die Straßen Südamerikas unsicher zu machen. Noch ahnten wir nicht, dass wir eine Lawine losgetreten hatten, deren Auswirkungen sich erst in den kommenden Tagen zeigen würden.

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7.500 km in 15 Tagen. Man sieht unserem Renault Logan nicht an, was so alles in ihm steckt.

Toto, I have a feeling we´re not in Germany anymore!

Wer glaubt, in Argentinien auf perfekt asphaltierte Autobahnen und vorbildlich platzierte Wegweiser zu treffen, der sollte besser zuhause bleiben. Sobald man Buenos Aires verlässt, begibt man sich nämlich auch im übertragenen Sinne in die Pampas. Ruta Nacional steht dann plötzlich nicht mehr für breite, gut erleuchtete Boulevards. Ab jetzt bedeuten diese zwei Wörter lediglich: Straße von mehreren tausend Kilometern, die (theoretisch) die wichtigsten Punkte des Landes miteinander verbindet. Man achte hierbei auf das kleine Wörtchen theoretisch! Denn dass es sich dabei um geteerte Straßen handele, steht nirgends geschrieben. Und so kommt es schon mal vor, dass man sich bei heftigstem Sturzregen ganz plötzlich auf einer Schotterpiste wiederfindet, die schon bei leichtem Nieseln von den stärksten Pick-up-Trucks gemieden wird. Oft aber kommt man gar nicht erst so weit. Denn Karten gibt es hier ausschließlich im Miniformat und Wegweiser führen in der Regel nur bis zum nächsten Dorf. Um die Autobahn zu finden, muss man schon mal einem holzenen Schildlchen mit dem Aufdruck „autopista“ (gut, dass es meist nur eine gibt) quer durch die Vorstadtsiedlungen folgen. Am besten fragt man also alle 5 m nach dem Weg, der mit Sicherheit jedes Mal „muy difícil“ ist.

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Schotterpiste hieß es im Lonely Planet. Darunter hatten wir uns irgendwie etwas anderes vorgestellt.

Ohne Moos nix los! oder wie der Argentinier sagt: Solo efectivo!

Nicht nur der Zustand der Straßen ändert abrupt, sobald man der Großstadt den Rücken kehrt. Auch die Kreditkarten scheinen plötzlich nicht mehr zu funktionieren. „Solo efectivo!“, heißt es dann sogar bei Shell und Esso. Wenn die Karte ausnahmsweise einmal akzeptiert wird, scheint sie sich, aus welchem Grund auch immer, nicht mit dem Automaten zu vertragen, so dass man am Ende doch wieder tief in die Tasche greift. Dank des Schwarzmarkt-Wechselkurses ist diese wenigstens bis oben hin mit wertvollen, in besonders glücklichen Fällen sogar hübsch bemalten Scheinchen gefüllt. Doch auch dem pfiffigsten Schwarzmarktwechsler geht irgendwann das Bargeld aus.

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Will man das echte Landleben kennenlernen, muss man auch schon mal mit etwas bescheideneren Straßen vorliebnehmen.

Unzufriedene Tabakernter und kollaborationsfreudige Polizisten

Wenn der Zeitplan gerade mal nicht durch plötzlich aus dem Nichts auftretende Schlammlawinen oder Geldknappheit durcheinander gebracht wird, helfen gerne auch mal die örtlichen Tabakernter aus, und stellen sicher, dass man sein Ziel auch ja nicht mit weniger als 3 Stunden Verspätung erreicht. Nein, Argentinien ist offiziell kein Drittweltland mehr, was man nicht zuletzt an den Berlin Konkurrenz machenden Preisen erkennt. Doch gut verdienen, tut man hier trotzdem nicht. Und so kommt es, dass viele Arbeiter sich zu Streiks gezwungen fühlen, und man schon mal den gesamten Nachmittag vor ein paar quer über die Straße gelegten Ästen verbringt. Der Argentinier nimmt´s gelassen. Nachdem er einmal fast den Hungertod sterben musste, hat es dann auch der Europäer geschnallt: In Argentinien sollte man das Auto niemals ohne Fünf-Gänge-Menü und massenhaft Gesellschaftsspiele besteigen! Picknick-Decken sind natürlich auch gern gesehen.

Aber nicht nur streikende Arbeiter verhindern das Weiterkommen. Auch die Polizeikontrollen, die an fast jeder Ecke auf einen lauern, sollte man im Terminkalender vermerken. Mit ausnahmsweise vorbildlich platzierten Schildern wird der Autofahrer alle paar Minuten auf die nächste Kontrolle hingewiesen, auch diese sehr hübsch mit Neon-Hütchen gekennzeichnet. Und doch scheint es Leute zu geben, die diese einfach mir nichts dir nichts übersehen und, den doppelten gelben Streifen auf schwarzem Asphalt rücksichtslos ignorierend, noch kurz vor der Polizeistation überholen müssen. *Zeigt auf Laurens* Und plötzlich heißt es: Aussteigen! Mitkommen! 

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Glück muss man haben! Das graue Gefährt da in der 1. Reihe ist nämlich unseres. Immerhin dauerte diese Straßensperre aber nur 1 1/2 Stunden. Ein Wimpernschlag in der südamerikanischen Zeitmessung.

Verkehrsregeln, wo gibt´s denn so was?

Wer konnte denn auch ahnen, dass gelbe durchgezogene Linien in der Mitte der Straße die gleiche Bedeutung haben wie in zivilisierten Ländern? Sonst scheinen die motorisierten Gauchos nämlich nicht wirklich viel von Verkehrsregeln zu halten. Wer braucht denn auch Vorfahrtsregeln? Irgendwie wird man sich schon einig. Auch wenn es hier zum guten Ton gehört, jede zwei Sekunden auf die Hupe zu drücken und man auch auf einspurigen Straßen von beiden Seiten überholt wird, haben wir während unserer ganzen Reise kein einziges verunglücktes Fahrzeug erspähen können. Hat man sich erst einmal an den südamerikanischen Fahrstil gewohnt, ist die Fortbewegung per Mietwagen also gar nicht mehr so lebensgefährlich wie wir dachten.

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Schwarze Schafe findet man auf Argentiniens Straßen zuhauf. Auch wenn es sich in diesem Fall ausnahmsweise mal um Ziegen handelt.

Ein Hoch auf die gute alte Korruption! emmm… colaboración!

Qualität hat allerdings seinen Preis. Das gilt auch für bestechliche Polizisten. Doch wer sich mit einem Belgier anlegt, muss von vorneherein den Kürzeren ziehen. Während in Europa mit Sicherheit der Führerschein weg wäre, bekommt man in Argentinien lediglich eine kleine Standpauke, gefolgt von Drohungen aller Art und grimmigen Polizisten-Minen. Am Ende lauert jedoch stets die gleiche Frage: „Colaboración?“ Wie uns argentinische Freunde erzählt haben, ist das eben so Usus im Kirchner-Land. Meist ist das Glück dabei jedoch nicht wirklich auf der Seite des Delinquenten. Ein Hoch also auf Laurens´ Verhandlungslkünste! 25 Euro sollten es sein. In Deutschland hätten wir mindestens 150 Euro, 4 Punkte in Flensburg, und mit großer Wahrscheinlichkeit 1 Monat Fahrverbot kassiert.

Es hat also auf jeden Fall seinen Reiz, Argentinien mit dem Mietwagen zu bereisen. Nur sollte man genügend Zeit und jede Menge Bargeld mitbringen. Und immer dran denken: der Weg ist das Ziel!