Überfüllte Reisebusse, protzige Yachthäfen, und etwas zuviel Alkohol – der perfekte Abschluss unseres Pauschalreise-Abenteuers (Tag 6)
Parque Nacional de Timanfaya: Fahrt im überfüllten Reisebus durch die ja ach so berühmten Feuerberge
Letzter Tag auf den kanarischen Inseln. Und wie sang Vanessa Williams so schön: save the best for last! Gesagt, getan. Und so haben wir uns den berühmten Parque Nacional de Timanfaya mit den Montañas del Fuego bis zuletzt aufgespart, um unseren spontanen Kurztripp wortwörtlich mit einem Feuerwerk zu beenden. Umso größer war abermals die Enttäuschung, denn den Park kann man nur anhand einer halbstündigen Busfahrt erkunden, während der man das rollende Gefängnis nicht einmal an Aussichtspunkten verlassen darf. Dementsprechend schlecht ist die Fotoausbeute: immer spiegelt sich die Sonne in den Fensterscheiben, und lässt sich diese einmal nicht blicken, so übernimmt das orange T-Shirt des Holländers, der sich herüber lehnt, um den wirklich „leuken“ Ausblick mit seinem I-pad festzuhalten, diese Rolle mit Freude. Wer, wie wir, die das letzte Jahr in den Staaten verbracht haben, die Weiten der amerikanischen Nationalparks lieben gelernt hat, wird sich hier wie ein Tiger im Käfig fühlen. Während man dort täglich neue km-lange Wandertouren auf teilweise kaum erkennbaren Trampelpfaden quer durch die Wildnis entdecken kann, bleibt man hier während der ganzen Besichtigung an den Sitz gefesselt und hat weder Zeit, die Aura der tiefschwarzen Weiten in sich aufzusaugen, noch sich Gedanken über die zerstörerische Kraft der Vulkane zu machen. Als wären die Augen durch das Durchgehetze nicht schon überfordert genug, ertönen über die Lautsprecher immer wieder Erläuterungen in mehreren Sprachen, was einen – besonders wenn man alle versteht – mit der Zeit an den Rand des Wahnsinns treibt. Und zur Krönung erschallt zwischendurch immer wieder die Titelmusik von Star Wars, um der von sich aus eigentlich schon mehr als beeindruckenden Naturlandschaft wenigstens einen Teil des Zaubers mit Gewalt wieder aufzudrängen, den man ihr zuvor mühsam geraubt hat. Und das schlimmste: links und rechts des Weges bleiben dem weinenden Auge die geteerten Wanderwege nicht verborgen, welche auf weiten Strecken über die Lavadecke und zwischen den Vulkanen hindurch führen. Warum wir nicht danach gefragt haben? Haben wir doch, aber Englisch konnte im und ums Restaurant ‚El Diablo‘ (Manrique lässt grüßen), von wo aus die Bustouren starten, leider niemand. Und wenn man uns endlich wenigstens so halb verstanden hatte, deutete der Zeigefinger stets auf einen parkenden Reisebus. Dabei waren wir extra früh aufgestanden, um schon um halb 10 vor Ort zu sein, denn in unserem bisher ja sehr verlässlichen (!) Reiseführer hieß es: „Wer durch die Vulkanregion wandern will, muss sich rechtzeitig beim Centro de Visitantes Interpretación anmelden – die (kostenlosen) Touren werden nur in Kleingruppen mit max. 7 Pers. durchgeführt. […] Start je um 10 Uhr.“ Nur doof, wenn man nicht erwähnt, dass sich das Centro de Visitantes Interpretación außerhalb des Nationalparks in Richtung Tinajo befindet. Also haben wir uns nach der im Bus erlittenen Enttäuschung dorthin aufgemacht, um uns bestätigen zu lassen, dass wir selbst schuld seien, und Wanderungen durch die Feuerberge sehr wohl möglich sind. Aber auch dort konnte uns niemand weiterhelfen, und so wurden wir in gebrochenem Englisch aufs Internet verwiesen. Doch auch hier konnten wir bisher keine wirklich hilfreichen Informationen ausfindig machen. Da wir nun aber schon mal da waren, haben wir uns brav die hundertste Dokumentation zu den Ausbrüchen und geologischen Formationen angeschaut, die zur Entstehung der Insel geführt und die heutige Landschaft Lanzarotes geprägt haben, um uns anschließend in Richtung La Geria aufzumachen. Neuer Plan: den Frust in schlechtem Inselwein ertränken.
La Geria: Weinanbau zwischen Vulkankratern und schwarzer Asche
Da es aber noch vor 12 Uhr war und wir bisher nichts gegessen hatten, sollte dieses Vorhaben etwas verschoben werden. Das Ziel halten wir aber weiterhin scharf vor Augen. Man muss halt nur manchmal etwas Anstand bewahren. Und so begaben wir uns schnurstracks in das zwischen Uga und Masdache angesiedelte Weinanbaugebiet, um erst einmal auszukundschaften, welchen Bodegas wir später einen persönlichen Besuch abstatten würden. Diese Auskundschafterei wurde erheblich vereinfacht durch die Tatsache, dass sich die meisten Bodegas entlang der 17km langen LZ-30 angesiedelt haben. Doch nicht nur die Weingüter mit ihren am Straßenrand immer wieder auf ‚Tastings‘ hinweisenden Schildern lenken die Aufmerksamkeit auf sich. Auch die in dieser Region künstlich gestaltete und sich doch so schön an die natürlichen Begebenheiten der Insel anpassende Landschaft lässt nicht nur den Weinkenner staunen. Links und rechts entdeckt man Weinberge soweit das Auge reicht. Doch hier sind die Reben nicht wie in unseren Gegenden wie Soldaten bei der Parade in Reih und Glied aufgereiht. Nein, hier bekommt jeder Rebstock seine eigene Spielfläche, auf der er sich, geschützt vor Wind und Wetter, entfalten kann. Die einen gedeihen in trichterförmigen Einkerbungen, welche die Bauern in mühseliger Handarbeit in den Lavasand gegraben haben, die anderen erblühen zwischen halbkreisförmigen Steinmauern, die in der kargen Landschaft der flachen Insel als Windschutz dienen. Leider schafft es die Qualität des Weins nicht mit dem Einfallsreichtum der Winzer mitzuhalten. So wurde diese Kulturlandschaft zwar in den 60er Jahren vom Museum of Modern Art in New York zum Gesamtkunstwerk (‚Engineering without Engineers‘) erklärt, der daraus entstehende Wein kämpft jedoch immer noch um internationale Anerkennung und wird diese wohl auch in nächster Zukunft nicht einholen können.
Wer also eher von der Landschaft angetan ist, bzw. wer, wie wir, noch etwas Zeit totschlagen muss, bevor er sich guten Gewissens zu einer Probe hinreißen lassen darf, der sollte unbedingt einen Abstecher zur Montaña Tinasoria bei La Asomada machen. Etwas oberhalb der Kirche, biegt man (von oben kommend) rechts in die Calle la Caldereta ein, und folgt der Teerstraße, bis diese in einen Schotterweg übergeht, welcher zur Ruine eines kleinen Gehöfts führt. Hier lässt man das Auto stehen und besteigt den, doch steiler sich anfühlenden als aussehenden Kraterrand des erloschenen Vulkans. Auch hier gilt: Wolken schützen vor Sonnebrand nicht, was wir abermals schmerzhaft am eigenen Leib erfahren mussten. Doch die grandiose Aussicht tröstet schnell über Sonnenbrand und Asthmaanfälle hinweg: von den Weinbergen im und um den Krater reicht der Ausblick in alle Richtungen über die ganze Insel bis an den Atlantik. Perfekt also, um unser Mittagessen zu uns zu nehmen: eine Tüte Chips mit Serrano-Schinken-Geschmack, die wir unten in einem kleinen Laden gekauft haben. Etwas anderes hatten wir in dem tatsächlich wirklich noch untouristischen Dorf nicht auftreiben können. Doch wie bereits erwähnt: die Aussicht lässt alles vergessen. Und so wurden aus geplanten 20 min in einem Wimpernschlag 1½ Stunden. Das Positive daran: als wir das Auto endlich erreichten, war es auch schon Zeit für eine kleine Weinprobe. Oder zwei. Oder drei.
Also zurück auf die LZ-30 und auf zu den vorher penibelst ausgelesenen Weinstuben. Als Weingut erwähnenswert, scheint nur die Bodega Stratus, welche angeblich einen der modernsten Weinkeller Europas besitzt. Allerdings sind Besichtigungen nur mit Führung möglich, welche aber wiederum nur alle paar Stunden stattfinden, so dass man sich auch hier unbedingt im Voraus erkundigen sollte. Wer diese verpasst hat – ja, wir gehören wieder mal dazu – kann es sich in dem schön angelegten, lauschigen Innenhof gemütlich machen und einen süßen Weißwein kredenzen. Von den roten sollte man nämlich auf Lanzarote allgemein die Finger lassen. Während der restliche Wein hier wirklich mehr als genießbar ist, sollte man beim Service nicht zu anspruchsvoll sein. Auch Rubicón, wo der Wein wirklich sehr zu empfehlen ist, sowie in allen anderen von uns besuchten Bodegas, ist es nicht anders. Dies liegt aber wohl auch und vor allem daran, dass man hier sowieso nicht wirklich mit dem Verkauf von mehr als ein, zwei Flaschen rechnet, welche denn auch schon praktisch im Voraus einzeln verpackt auf den Pauschalurlauber warten, damit dieser sie auch sicher im Reisekoffer nach hause transportieren kann. Aus diesem Grund sucht man auch vergeblich nach kostenlosen Proben. Diese gehören wohl, wie in manchen Regionen der USA, zu einer festen Einnahmequelle der Weingüter, wovon nicht zuletzt die Reisebusse am Straßenrand zeugen.
Fundación César Manrique: architektonisches Meisterwerk des Stararchitekten
Nach dieser (kostspieligen) Stärkung ist es dann endlich so weit! Was wir eigentlich schon am ersten Tag auf der Insel eingeplant hatten, wird endlich wahr! Wir besuchen die Fundación César Manrique!!! Naja, ganz so spannend wie es jetzt wohl klingen mag, wars dann doch nicht. Aber man muss die Sachen ja immer voller Freude an- und stets mit gutem Beispiel vorangehen. Außerdem hatten ja einige Bekannte gemeint, das Wohnhaus des mehr oder weniger – uns zumindest bis zu unserem Lanzarote-Aufenthalt absolut NICHT – bekannten Architekten César Manrique sei unbedingt einen Besuch wert. Nur dumm, dass man dieses nach einer Woche mit täglicher Überdosis an Stararchitekt dann doch nicht mehr so wirklich zu würdigen weiß. Klar, die Verschmelzung von Architektur und natürlichen landschaftlichen Begebenheiten ist sicherlich beeindruckend und es verwundert auch nicht, dass es der Lanzaroteño mit dieser Symbiose von Natur und Kultur in fast alle nationalen und internationalen Architekturmagazine schaffte. Allerdings hat er diesen Stil dann auch bei seinen zukünftigen Bauten konsequent beibehalten. Trotzdem wird auch der Laie hier wieder einmal schwer beeindruckt sein von der Eingliederung unterirdischer Vulkanblasen in das von außen der typischen Inselarchitektur entsprechende Wohnhaus, und den Architekten um dieses märchenhafte, heute auch von der Einrichtung her wieder topmoderne Domizil (das Gebäude wurde in den 70ern errichtet) beneiden. Wen das aber alles kalt lässt, der lässt sich vielleicht von den Werken des Malers Manrique begeistern, welche in der hauseigenen Kusntgalerie zwischen denen von Picasso und Miró hängen.
Puerto Calero: Luxus-Yachthafen mit Snobisten-Alarm
Bevor es zurück ins Hotel geht, um sich für den Abend herauszuputzen, statten wir noch dem nur einige Kilometer westlich von Puerto del Carmen gelegenen Luxusdorf Puerto Calero mit seinen teuren Hotels und dem modernen Yachthafen einen Besuch ab. Hierhin sollte sich wirklich nur verirren, wer mindestens ein Ralph Lauren Poloshirt trägt und seine Haare brav zurückgekämmt hat. Traut man sich hier in sportlicher, gar von einem Tag im Freien gezeichneten Kleidung her, sind einem die abwertenden Blicke und gerümpften Nasen der „Einheimischen“ sicher. Doch wir wollten uns unbedingt das zweite, von Michelin ausgezeichnete Restaurant der Insel aus der Nähe anschauen, um sicher zu gehen, nicht die falsche Entscheidung getroffen zu haben, als wir für unseren letzten Abend einen Tisch im La Tegala in Machér reservierten. Aber wenigstens hier blieb die uns während unseres Lanzarote-Aufenthaltes so oft begleitende Enttäuschung aus. Denn das Restaurant Amura, dessen Karte sich zwar sicherlich sehen lassen kann, ist mindestens genau so protzig wie der Rest des Dorfes, was nicht zuletzt die Fotos auf der eigenen Website belegen. Hier trifft sich, was Rang und Namen, bzw. Geld und (Ein)Bildung hat. Der Reiseführer behält zwar Recht, wenn er von einer schön angeleten Terrasse mit wunderbarer Aussicht auf den Hafen spricht, doch erscheint der Rest trotz gehobener Küche für ein Restaurant dieser Klasse ziemlich durchschnittlich. Und so freuen wir uns, das Experiment Pauschalreise in dem (unserer Meinung nach) besten Restaurant der Insel ausklingen zu lassen.